Der Markt kommt in Fahrt
Als erster Autobauer hat Volkswagen die Fertigung von Erdgasfahrzeugen in die Großserie integriert. Mit der Serienproduktion der EcoFuel-Varianten des Touran und des Caddy setzen die Wolfsburger wegweisende Akzente in einem zukunftsträchtigen Zuwachsmarkt.
Eine Sirene ertönt, und alles kommt in Bewegung: Die zweite Tagesschicht bei Volkswagen beginnt. Eine Reihe von Karosserien setzt sich in Gang. Von Greifarmen gehalten, schweben sie langsam von der Hallendecke herab, halten inne. Aus dem Durchlass zum darunter liegenden Stockwerk taucht ein Fahrgestell auf. Passgenau fügen sich Karosserie und Fahrgestell ineinander. Hochzeit – so nennen Autobauer weltweit diesen Moment. Doch Auto 5000, die Tochtergesellschaft von Volkswagen, bei der der Touran gefertigt wird, hat jetzt noch eine ganz andere Art von Ehe gestiftet: Die gemeinsame Produktion von Benzin-, Diesel- und Erdgasfahrzeugen auf einer Produktionslinie wurde erstmalig in Wolfsburg umgesetzt. Unter den 900 Touran, die bei Auto 5000 pro Tag vom Band laufen, sind zurzeit 25 bis 30 Erdgasfahrzeuge. Halle acht, Station FA 7.3. Inmitten der Reihe von Benzinmodellen hängt ein silberner Touran am Teleskoparm des Transportbandes – ein zukünftiges Erdgasfahrzeug, der Eco Fuel. Ein kurzer Blick in die Begleitpapiere, der Mitarbeiter fährt ein „Package“ Erdgastanks an einen Transportarm heran und bugsiert es unter das Heck. In Sekunden sind die Halterungen befestigt.
Es ist einer der Arbeitsschritte, die den Unterschied vom Erdgas- zum Benzinmodell ausmachen. „Mit der Angleichung unseres Baukastensystems konnten wir weltweit erstmalig die mechanisierte Serienproduktion von Erdgasautos realisieren. Die größte konstruktive Herausforderung bestand darin, im vorgegebenen Raum möglichst große Erdgas-Speicherflaschen zu platzieren“, so Konstruktionsleiter Christian Eigen dazu. Die Prämisse lautete: „Eine Karosserie für alle Antriebsvarianten; was bedeutete, dass keine grundlegenden Veränderungen an der Rohbaukarosse möglich waren.“ Neben minimalen konstruktiven Veränderungen am Rahmen standen vor allem die Bewältigung technischer und logistischer Fragestellungen bei der Vereinigung aller Antriebsvarianten in einen einheitlichen Produktionsprozess im Mittelpunkt sowie die Integration in das einen Kilometer lange Montageband. Ob ein Kunde sein Auto mit Klimaanlage oder mit Erdgasantrieb bestellt, macht für das bewährte Baukastensystem von Volkswagen kaum einen Unterschied. „Als sehr flexibel arbeitendes Unternehmen konnten wir mit relativ wenig Aufwand die notwendigen zusätzlichen Arbeitsschritte integrieren“, bestätigt Armin Keller, Geschäftsführer Vertrieb & Marketing von Auto 5000. Solch produktionstechnisches Know-how macht Volkswagen immer wieder zum Vorreiter der Branche.
Basis für den Antrieb bildet ein herkömmlicher, aber erdgasoptimierter Zwei-Liter-Ottomotor, der mit einer Erdgaseinpritzanlage und einem zusätzlichen Steuergerät ausgerüstet ist. Der quasi monovalente Erdgas-Touran verfügt neben den Druckbehältern für 18 Kilo Erdgas zusätzlich noch über einen 13-Liter Reservebenzintank. Das garantiert eine Reichweite von insgesamt mindestens 440 Kilometer. „Erdgas wird mit Sicherheit ein Treibstoff der Zukunft sein, und Volkswagen trägt dieser Entwicklung Rechnung, indem wir die Erdgasvarianten direkt in die Großserienfertigung bringen“, so Keller weiter. Vor vier Jahren brachte Volkswagen sein erstes bivalentes Erdgasmodell heraus, den Golf Variant BiFuel, ein Kombi, der sowohl mit Erdgas als auch mit Benzin betrieben werden kann. Quasi-Monovalente Nachfolger sind jetzt der Caddy und der Touran EcoFuel, die seit Frühjahr 2006 gebaut werden. Die geräumigen Fahrzeuge eignen sich besonders gut für den Erdgasbetrieb, da sich die Tanks Platz sparend auf mehrere Stahlflaschen verteilt unter dem Fahrzeugboden unterbringen lassen.
Der Touran, der besonders junge Familien und aktive Menschen anspricht, sich aber auch als Firmenfahrzeug gut verkauft, ist seit seiner Markteinführung im Jahre 2003 der beliebteste Kompaktvan in Deutschland. Eine ähnliche Erfolgsgeschichte wie der Touran schreibt auch der Caddy. Mit einem Marktanteil von 52,9 Prozent im Segment Stadtlieferwagen nimmt er die Marktführerschaft ein. Als Kastenwagen, Kombi oder als Life findet er seine kommerziellen Einsatzmöglichkeiten vor allem im Einzelhandel, bei Handwerks- und Dienstleistungsbetrieben. Gerade für Gewerbekunden ist es wichtig, dass Erdgasmodelle nicht durch den Einbau voluminöser Erdgasflaschen Raum einbüssen. Der Einsatz von Unterflurtechnologie garantiert EcoFuel-Fahrern die volle Verfügbarkeit des Innenraums mit all seinen variablen Möglichkeiten. Das gilt für den Caddy und den Touran EcoFuel gleichermaßen.
Neueste Entwicklung im Hause VW ist die auf den Automessen in Genf und Leipzig vorgestellte Fahrzeugstudie Concept A. Auch bei dieser Kombination aus Sport- und Geländewagen gibt VW Gas und plant von Anfang an alle Antriebsvarianten ein. Unter der Haube des Twincharger CNG steckt der erste mit Erdgas betriebene TSI-Motor. Dieser über Kompressor und Turbo doppelt aufgeladene 1,4-Liter-Motor entwickelt 150 PS. Mit dem Slogan „Maximale Kraft – minimaler Verbrauch“ wirbt VW für den Twincharger CNG mit umweltfreundlicher Technologie und dynamischer Fahrleistung. Hochaufgeladene Motoren wie der TSI arbeiten generell mit einem hohen Wirkungsgrad. Dieser erhöht sich mit komprimiertem Erdgas noch einmal deutlich. Im Schnitt benötigt das Concept-A-Modell lediglich fünf Kilogramm Erdgas auf hundert Kilometer.
Auch der Touran EcoFuel ist ein Sparmodell. VW-Kunden legen damit hundert Kilometer für fünf Euro zurück. Ein Verkaufsargument, das inzwischen bei breiten Käuferschichten aufhorchen lässt, so Auto 5000 Geschäftsführer Armin Keller: „Die heutigen Kraftstoffpreise sind ein Indiz dafür, dass Erdgasantrieb zur zukunftsweisenden Technologie wird – so rechnen wir auch mit Stückzahlen, für die es sich lohnt, unter wirtschaftlichen Voraussetzungen direkt an der Linie zu fertigen.“ Dass die Steuerfreiheit für Erdgas aller Voraussicht nach weiter festgeschrieben wird und 1000 Erdgastankstellen bis Ende 2007 zur Verfügung stehen, findet bei VW ein positives Echo. Schließlich bringen diese Rahmenbedingungen dem Verbraucher und Produzenten ein gutes Stück an Planungssicherheit. Armin Keller: „Das berühmte Henne-oder-Ei-Prinzip ist inzwischen überholt – es gibt mittlerweile genügend Auswahl an Erdgasfahrzeugen auf dem Markt, ebenso wie Erdgas-Tankstellen. Eine Entwicklung, die sich in den nächsten Jahren schnell fortentwickeln wird.“
Eine neue Ära ist angebrochen. Mit der Entscheidung Erdgasfahrzeuge in Serie zu produzieren, rückt VW einen potenziellen Massenmarkt jetzt in den Bereich der Realität. Große Stückzahlen werden bislang zwar noch nicht gefertigt, sind jetzt aber problemlos zu realisieren. „Wir sind jederzeit in der Lage, die Kapazität auf eine tägliche Stückzahl von 90 zu verdreifachen, das wären zehn Prozent der Touran-Produktion“, berichtet Armin Keller und sieht sich für einen Nachfrageschub nach Erdgasautos gut gerüstet: „Unsere Schätzung von zehn Prozent für den deutschen, italienischen und schwedischen Markt sind noch relativ konservativ angesetzt – europaweit rechnen wir mit einem noch höheren Anteil.“
Matthias Leifheit, Leiter Entwicklung Erdgasfahrzeuge, Volkswagen Individual GmbH:
„Das Twincharger-Prinzip bietet Volkswagen als einziger Hersteller weltweit in Großserie an. Damit erreichen wir eine bis vor Kurzem unvorstellbare Leistungsausbeute. In der Studie Concept A haben wir gezeigt, dass dieser hochaufgeladene Motor durchaus auch bivalent darstellbar ist, also mit Benzineinspritzung und alternativ einer indirekten Erdgaseinblasung.“
Christoph Grünewald, Leiter Marktplanung Deutschland:
„In der Tat bricht bei Volkswagen mit dem Touran EcoFuel ein neues Zeitalter an. Und in der heutigen Zeit verkauft sich ein Fahrzeug nur dann gut, wenn Kunden ehrlich davon zu überzeugen sind. Den Touran EcoFuel zeichnet all das aus, was für uns und unsere Kunden gemeinsam wichtig ist: dass die Schonung von Ressourcen genau die gleiche Priorität hat wie Fahrspaß und technische Finesse. Insofern ein Modell für alle Käuferschichten.“