Es wäre wahrscheinlich ein gutes Geschäft gewesen. Doch ich habe darauf verzichtet. Ganz bewusst. Kurz bevor der Lebensmittelskandal um mit Ehec-Erregern verseuchte Sprossen aufkeimte, hatte ich auf einem Biohof in Bienenbüttel die Sprossenproduktion fotografiert. Ausgerechnet dieser Betrieb wurde nach langem, panischen Hin und Her als Quelle des gefährlichen Darmkeims identifiziert. Was ich in meinem kurzen Bericht noch als „gesunden Unternehmensspross“ gefeiert hatte, war nun plötzlich Herd einer Epidemie. Ein Schock. Fieberhaft suchten Bildredaktionen damals nach Bildern. Ich hatte sie, beließ sie allerdings still und leise in meinem Privatarchiv. Warum?
Zur Antwort muss ich etwas ausholen. Jetzt, nachdem gerade Pferde-Eier-und-was-weiß-ich-nicht-noch-Skandale die Runde machen, fiel mir meine Geschichte über den Gärtnerhof Bienenbüttel wieder in die Hände. Der Biohof betreibt seit 1978 gut durchdacht und konsequent ökologische Landwirtschaft – ganz natürlich, ohne synthetische Dünge- oder Spritzmittel. Mehr noch. Es ist eine Gemeinschaft die nicht nur kollektiv arbeitet, sondern auch auf dem Gelände wohnt, gemeinsam musiziert, zusammen lebt. Ich habe die Menschen als sehr verantwortungsvoll erlebt – der Natur und den Menschen gegenüber.
Nicht der Pressemeute ausliefern
Das trifft allerdings nicht prinzipiell auf unsere Branche zu. Auch wenn für die Medien sicherlich jede Menge verantwortungsbewusste Menschen arbeiten, so ist unsere Presselandschaft dennoch von Leichtfertigkeit durchsetzt. Nämlich vom panischen Rennen um Aktualität und vom unsäglichen Drang zum Dramatisieren. Zu bereitwillig treibt unserer Branche eine Sau durchs Dorf, macht grundsätzlich Schuldige aus und richtet sie zu gern medial hin.
Zu dieser Art von Kesseltreiben wollte – und will ich grundsätzlich – nicht beitragen. Eine unfaire Berichterstattung war zu befürchten, denn schließlich fehlte es nicht an Dramatik. 4349 Menschen waren an dem aggressiven Darmkeim erkrankt und 49 Menschen im Zusammenhang damit gestorben. Dass nun ausgerechnet ein Hof, der selbst beharrlich vegetarischen Landbau betreibt, auf tierisch verunreinigte Bockshornkleesamen aus Ägypten hereinfiel, ist tragisch.
Spiegel Online zeigte den belagerten Biohof in Bienenbüttel.
Obwohl auf dem Biohof tausend Proben genommen wurden, hat man nichts gefunden. Auch der niedersächsische Landwirtschaftsminister Lindemann betonte: „Wir gehen nicht davon aus, dass persönliches Verschulden der Inhaber vorliegt. Nach unseren Erkenntnissen herrschten in dem Betrieb einwandfreie hygienische Zustände.“ Dennoch ist der Betrieb bis heute „der Ehec-Hof“. In ländlicher Idylle belagerten Journalisten aus aller Welt tagelang das Gelände. Die Geschäftsführer Klaus Verbeck und Uta Kaltenbach erlitten laut „Spiegel“ einen Nervenzusammenbruch. Inzwischen ist die Sprossenanlage verkauft und einige Mitarbeiter sind entlassen worden.
Mir war das Risiko zu groß einer medialen Treibjagd Nahrung zu geben. Denn leider sind Fotos zu einer Ware geworden, mit der jeder nach Gutdünken umgehen will. Der Einfluss von Fotojournalisten auf die Zusammenhänge unter denen ihre Bilder veröffentlicht werden, ist praktisch nicht mehr existent – die Ignoranz gegenüber der Autorenschaft von Fotografen. Es gab also genügend gute Gründe mein Material nicht heraus zu geben.
Die Geschichte ist unter der Headline „Keimlinge“ hier auf meiner Website zu sehen.