„So etwas brauchen wir hier nicht“, glaubten die Stadtväter in Wittingen einstmals. Mit dem Sozialgefüge sei in dem kleinen Ort in Niedersachsen doch alles in Ordnung. Als 2007 etliche Freiwillige, Spender und engagierte Menschen dann trotzdem die „Wittinger Tafel“ aus der Taufe hoben, offenbarte sich doch ein Bedarf für eine wohltätige Lebensmittelausgabe. Heute versorgt die Einrichtung 650 bis 700 Menschen mit gesammelten Lebensmittelresten, abgelaufenen Nahrungsmitteln und trockenen Backwaren.
Bereits seit dem Morgen schleppen ehrenamtliche Helfer Kisten aus dem Lieferwagen heran, ordnen Gemüse, stapeln Brotlaibe, sortieren verdorbene Früchte aus. Erst kurz vor der Ausgabe ab 15 Uhr wird aus dem Kistenchaos ein gut sortierter Präsentationsraum aus lauter kleinen Marktständen.
Vor der Tür des Gebäudes in der Wittinger Innenstadt hat sich schon seit einer Stunde die Straße hinab eine lange Schlange gebildet. Es sind bedürftige Menschen aus der Region: Arbeitslosengeldempfänger, Hartz-4-Bezieher, allein erziehende Mütter, Rentner, Flüchtlinge, junge Menschen mit prekären Arbeitsverhältnissen. Vom Single bis zur Großfamilie, ist allen gemeinsam: Sie kommen mit ihrem Geld, mit den Sozialleistungen, allein nicht zurecht, sind auf Unterstützung angewiesen.
„Es ist kaum nachzuvollziehen, dass in unserem Sozialstaat so viele Menschen hilfebedürftig sind“, sagt Thomas Finnern, Vorsitzender der Wittinger Tafel, „Ich sehe die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander klaffen. Die Nettoeinkommen der Sozialhilfeempfänger und der Geringverdiener sinken in der Realität.“